Praktische Psycho-Physiognomik

Leseprobe Ausgabe 14- "Kallisophie"

Kallisophie


Die Philosophie des Carl Huter (1861 – 1912)
Nähern wir uns dem Thema etymologisch. Kalos ist auf griechisch „schön“. 1815 wurde das erste Kaleidoskop gebaut, ein Gerät, das mit Spiegeln schöne Bilder betrachten lässt.


Kalos = schön
eidos = Bild
idein = sehen
skopein = schauen


Kali, die schöne, indische Göttin, Kalla, die hebräische Braut – Kallisophie = Lehre vom Schönen.

Im Alltagsgebrauch ist dieses Wort kaum, schauen wir aber in die Literatur, dann hat Friedrich v. Schiller, der große Idealist unter den Dichtern, in feiner philosophischer Weise 27 Kallias -Briefe geschrieben. Als Schiller auf den Tod erkrankte, 1791, 14 Jahre also langsam gestorben ist, ging ihm ahnungsvoll auf, dass etwas in ihm schöpferisch drängte und er noch etwas für die Menschheit schaffen muss und da ihm das Schicksal durch den aufmerksamen Freund, Jens Immanuel Baggesen, finanzielle Mittel schenkte, durch die feinen, spendenden Männer, dem Erbprinzen von Dänemark und seinem Finanzminister, Graf Schimmelmann, begann er „den Keim, sich in mir zu einer schönen Blüte für die Menschheit entfalten“ und:
„Nicht an Sie, sondern an die Menschheit habe ich meine Schuld abzutragen.“

Er begann mit seinen 27 Kallias-Briefen auf die ästhetische Erziehung des Menschen hinzuweisen. Der Erbprinz von Augustusburg bekam Schillers wichtigstes Werk zugesandt, das der Dichter an die Menschheit richtete und unermüdlich blieb, denn die Französische Revolution hat ihn deshalb enttäuscht, weil „Der große Moment (der Freiheit) hat ein schwaches Geschlecht gefunden.“ Siehe Schillers Gedicht „Die Künstler“.
Was er unter der ästhetischen Erziehung des Menschen verstand, war nichts anderes als die Erziehung zu einer höheren Freiheit, aus der dann erst der Vernunft-Staat entstehen könne.

Schiller hat sich mit der ganzen Kraft seines Geistes ein umfassendes Bildungsgut der Antike und genaue Kenntnis des Werkes Immanuel Kants erworben. „ Vielleicht entstehen mir durch die Beschäftigung mit den „Alten“ einige Klassizismen“, hoffte er.

Es geschah so, er wurde der Klassiker par excellance.
Er wies die Kunst und der Idee der Schönheit nach den Bemühungen Gotthold Ephraim Lessings und Winkelmanns den höchsten Wert zu. Schönheit wurde von nun an für Schiller die höchste Forderung, die er zu stellen hatte.

„Schönheit“, so sagte er ausdrücklich, sei es, durch die man zur Freiheit- auch zur politischen- wandert. Schönheit wird für Schiller zum beherrschenden Prinzip. Mit dem Begriff der „schönen Seele“ zeichnet er das Idealbild des Menschen der seine beiden Naturen:

Vernunft und Sinnlichkeit
Geist und Materiemit einander versöhnt und keine über die andere stellt.

Wie er sich selbst der Theorie des Schönen zugewendet hatte, damit sie ihm „zur Natur“ werde, so erwartet er, dass von dem durch Selbstbestimmung harmonisch und frei gewordenen Menschen die strengen Gebote der universellen Gesetze wissend, diese freudig und mit Grazie erfüllt werde.
Schiller sah die Tugend des Menschen in Anmut und Würde gelebt.
„Anmut und Würde“ heißt denn auch der Essay – einer der schönsten der deutschen Sprache – worin Schiller diesen Gedanken zum ersten Mal ausgeführt hat.
Damit erlebte er den höchsten Triumph seines Lebens.
Immanuel Kant rühmte diese Schrift: „mit Meisterhand verfasste Abhandlung.“
Schiller war freudig bewegt, als er die Anerkennung des größten Philosophen bekam, dessen kategorischer Imperativ unsterblich ist.

CARL HUTER über Schiller in „Der Sieg unserer Weltanschauung“


Einer der besten Propheten der Kallisophie, Friedrich Schiller, sagt:

„Das Leben ist der Güter höchstes nicht – der Übel größtes aber ist die Schuld“.

oder
Und die Tugend ist kein leerer Schall
der Mensch kann sie üben im Leben
und sollt er auch straucheln überall,
er kann nach der göttlichen streben.
Was kein Verstand der Verständigen sieht, das übet in Einfalt ein kindlich Gemüt.

Carl Huter hat über Schillers Bemühungen einiges geäußert, ihm auch eine psycho- physiognomische Studie und Aussage gemacht.
Thomas Mann sprach von seinem sanftgewaltigen Willen, seinem Willen zum Schönen, Wahren und Guten, zur Gesittung, zur inneren Freiheit, zur Kunst, zur Liebe, zum Frieden gehe etwas in uns ein, zu rettender Ehrfurcht des Menschen vor sich selbst.

Also:
Kulturarbeit- Geist-Arbeit- Seelen-Arbeit- hat zur Folge einen verfeinerten Menschen. Davon ist ein berühmtes Beispiel Lorenzo de Medici, den sie il Magnifico nannten. Die Kraft seiner Persönlichkeit wurde von seinen Zeitgenossen beschrieben und bewies sich durch sein Leben, das nur 43 Jahre währte:

Bescheidenheit mit Selbstsicherheit, kühlen Wirklichkeitssinn mit warmherzigen persönlichen Charme, Beschaulichkeit mit entschiedener Tatkraft.
Aber er suchte die Schönheit, die Wahrheit und das Gute, das er selber tat und dankbar war für das, was er an Gutem erfuhr. Er lud Dichter und Philosophen in seinen Palast und lernte von ihnen. Er förderte nicht nur Michelangelo Buonarroti sondern das gesamte Kulturleben der Stadt und wir verdanken den Künstlern und ihm die Pracht der Renaissance. Mit Lorenzos Tod endete für Florenz und Italien ein Zeitalter.

Lorenzo de Medici lebte sich mit dem Angebot seiner Zeit zu immer tieferer, innerer Kultur. Unbewusst, aber sicher.

Schiller wollte der Menschheit den Hinweis leidenschaftlich vermitteln, dass die Erziehung des seelischen und geistigen Wesens zum Guten, zum Wahren, zur Schönheit eine bessere Zeit, einen besseren Staat, einen edleren Menschen hervorbringt.

Paracelsus, der größte Arzt seiner Zeit hat neben den reichen Einsichten durch sein Genie, durch seine Liebe zum leidenden Menschen stets und ständig an seiner Bildung gearbeitet. Heimatlos, ruhelos suchte er seine Lehrer für die Heilkunst.
Kritik begegnete er mit Bibelhinweisen, dass die Königin von Saba die Mühe der langen Reise nicht gescheut habe, um die Weisheit des König Salomons zu erfahren:

„Meine Lehrer sind nicht vor der Tür. Ich muss sie suchen in der Welt.“ Paracelsus suchte für die Menschen eine Kalokagathie zu verkünden.
Der Arzt, Viktor v. Weizsäcker, hat einen Vortrag gehalten über Bilden und Helfen, in dem er Hippokrates und Paracelsus verglichen und die Idealvorstellung, die Paracelsus vom Arzt hatte, interpretierte:

Obwohl er der Instinktentdecker ist und in ihm die Naturahnung lebt und er das Wunderleben der deutschen Menschen geliebt hat, hat er auch gewusst, dass der Arzt die Seele lenken soll, das Ganze des Menschen kennen, seinen Weg soll er ihm zeigen, denn in seiner besten Ausprägung redet der Arzt mit dem Kranken.

Das kann der Arzt aber nur erfolgreich, wenn er selbst teil hat an jener Kalokagathie, an jener geistig-lieblichen Bildung zur Vollkommenheit in der ethischer Wert und Schönheit zusammenfließen. Das hilft Heilen. Denn: in einem schönen Körper ist eine schöne Seele, in einem gesunden Körper eine gesunde Seele.

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(Fortsetzung in der aktuellen Ausgabe von Praktische Psycho-Physiognomik nach Carl Huter)

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